DIE ENTWICKLUNG DES BUNDES

 
Nachdem die prunkvollen Feiertage zum 6. Jänner 1963 vorübergegangen waren und auch ein wie immer erfolgreicher Fasching absolviert worden war, mußten die Initiatoren des neuen Bundes zwangsläufig an die Kleinarbeit und effektive Aufbauarbeit der Organisation herangehen. Wie immer in Österreich steht an der Spitze eines solchen Vorhabens der Kampf mit der Behörde.
Es waren Statuten zu erarbeiten und diese von der Behörde genehmigen zu lassen. Daß dies im ersten Anlauf nicht gelang, lag weniger an den allgemeinen Zielsetzungen der neuen Organisationen als an den überschwenglichen und prunkvollen Amtbezeichnungen der vorgesehenen Bundesfunktionäre. Nachdem alle dem österreichischen Amtsschimmel und kleinlichen Beamtengeistern zuwiderlaufende Titel wie  Minister u. dgl. aus den Statuten eliminiert waren, war ja gegen die Zielsetzung des Bundes an sich nichts einzuwenden. Es konnte daher im  Rittersaal des Campingplatz Apesbach bei St. Wolfgang ein offizieller 1. Verbandstag abgehandelt werden, an dem bereits 11 Mitgliedsgesellschaften teilgenommen haben. Nach dieser sommerlichen, offiziellen Gründungsversammlung begann eine stetige Aufwärtsentwicklung des Bundes und Vermehrung der Gesellschaften aus allen Richtungen Österreichs. Bereits zum 11-jährigen Bestand  war der Bund auf insgesamt 45 Gesellschaften aus ganz Österreich, beginnend von Mödling im Osten bist Bregenz im äußersten Westen, angewachsen. Zeitweise, nicht unter Einschluß der Vorarlberger Gesellschaften, waren annähernd 100 Mitgliedsgesellschaften im Bund zu verzeichnen. Nun mehr hat sich der  Stand der Mitglieder auf einer Zahl von rund 98 bis 105 eingependelt (von Hainburg bis Bregenz und von Laa an der Thaya bis Villach ).

 

Warum umfasst eine gesamtösterreichische Organisation eine so verhältnis-mässig kleine Anzahl an Mitgliedern?

 

Dies ist aus der speziellen österreichischen Situation und Mentalität zu verstehen. Die reinen Brauchtumsvereine oder lediglich im eigenem Ort des Brauchtum erhaltenden Organisationen sind zwar zwangsläufig nicht Mitglied im Bund Österreichischer  Faschingsgilden. Diese Tatsache wird in einem anderem Kapitel noch ausführlich erörtert werden.

 

In Österreich besteht in jedem Ort, auch in größeren Städten, im allgemeinen nur einen Faschingsgesellschaft. Dies sehr im Unterschied zum deutschen Karneval, wo- abgesehen von den Hochburgen am Niederreihn  auch in anderen kleinen Städten mehrere Karnevalsgesellschaften agieren. Die einzigen Ausnahmen in dieser Hinsicht bilden die Städte Salzburg und Graz. Wien ist in dieser Richtung nicht alt Stadt, sondern als Bundesland zu verstehen, da ein Gebilde mit annähernd 1,7 Millionen Einwohnern zwangsläufig mehrere und verschiedene Vereine auch gleicher Tätigkeit beherbergen kann.

 

Durch die auf jeweils nur eine Faschingsgesellschaft in einem Ort bzw. einer Stadt reduzierte Anzahl von Faschingsträgern ist naturgemäß auch der Mitgliederzahl einer Dachorganisation.

 

Eine natürliche Grenze gesetzt. Es ist leider auch der Faschingsgedanke und die Pflege des Faschingsbrauchtums in österreichischen Landen nicht so verbreitet, daß tatsächlich in jedem Ort und jedem kleinen Städtchen auch einen Faschingsgilde vorhanden wäre. Wenn auch in letzter Zeit das Faschingsgeschehen im allgemeinen ein höheres Ansehen und eine größere Verbreiterung erfahren hat und in vielen, auch kleinen Gemeinden Faschingszüge oder ähnliche Faschingstreiben stattfinden, so sind die Träger solcher Veranstaltungen vielfach dich Vereinen oder Veranstalter, die normalerweise mit dem Fasching an sich nichts zu tun haben. Viele der Faschingszüge werden von den örtlichen Fremdenverkehrs oder anderen Brauchtumsvereinen oder sonstigen Organisationen durchgeführt. Daß diese Faschingsveranstalter zwangsläufig sich nicht als Faschingsgilde verstehen und daher auch einem Bund der Österreichischen Faschingsgilden nicht angehören, liegt selbstverständlich auf der Hand.