DIE ENTWICKLUNG ZUM BUND

 

Gerade im Raum Salzburg und Oberösterreich waren die bestehenden sehr aktiven Faschingsgesellschaften schon in den fünfziger Jahren durch eine intensive Freundschaft verbunden. Es entwickelte sich eine rege gegenseitige Besuchstätigkeit und Zusammenarbeit. Daneben wurde schon vor dem Jahr 1955 seitens der Salzburger Faschingsgilde eine intensive Besuchstätigkeit und gegenseitige Freund-schaft mit den Gilden in Berchtesgaden, Bad Reichenhall und Freilassing, darüber hinaus auch mit Gilden weiter draußen in Bayern, nämlich mit Gilden in Traunstein, Rosenheim, Bad Aibling und anderen, entwickelt. Die Besuchstätigkeit beruhte durchaus auf Gegenseitigkeit, es war dies sicher darin begründet, daß die Gesellschaften aus dem amerikanischen Besatzungsgebiet in Deutschland, nämlich aus Berchtesgaden, Bad Reichenhall oder auch Bad Aibling, verhältnismäßig leicht in das ebenfalls amerikanisch besetzte Salzburg reisen konnten.

 

Gleich nach der Erreichung der vollen österreichischen Souveränität (nach 1955) wurde die Besuchstätigkeit mit Freunden in Bayern auch auf weitere Gebiete in Deutschland ausgedehnt und der Fasching zum Träger einer intensiven Freundschaft zwischen österreichischen und bayerischen bzw. deutschen Karnevalisten.

 

Unvergessen bleiben die großen Veranstaltungen der Salzburger Faschingsgilde jeweils zur Faschingseröffnung am 6. Jänner, an der oft 30 bis 40 ausländische Faschingsgesellschaften teilgenommen haben. Daneben aber kamen zahlreiche ausländische Gesellschaften auch zu anderen Gilden nach Straßwalchen, Gmunden und in den gesamten Innviertler Raum. Nicht vergessen werden darf auch die feste Institution des Grenzlandfaschings in Schärding. Bei dieser Veranstaltung waren immer neben bis zu zehn österreichischen Gilden auch zwischen 30 und 40 deutsche Gesellschaften Gast in Schärding, um gemeinsam ein großes Faschingsfest zu feiern.

 

Diese ständige Zunahme gegenseitiger Besuche im Inland und im Ausland wurde mit der Zeit eine arge Belastung für die einzelnen Funktionäre bzw. Organisatoren der Faschingsgesellschaften. Nicht zuletzt wirkte sich auch der steigende Fremdenverkehr auf den Fasching und das Geschehen der Faschingsgilden aus. Zahlreiche Freunde, die einmal im Winter zu einer Faschingsveranstaltung nach Österreich gekommen waren, kamen im Sommer mit ihrer Familie, um hier Sommerferien bei Freunden verbringen zu können.

 

Die Arbeit der Funktionäre wuchs aber in nicht mehr zu bewältigende Ausmaße. Im Herbst, zur Zeit der Faschings-vorbereitung, begann jede Gilde jedem zu schreiben, jeder hatte alle seine Freunde bei der Hauptveranstaltung im eigenen Ort mit dabei haben. Nicht selten stellte sich dabei heraus, daß man am gleichen Tag die Hauptveranstaltung (Krönungsball oder Faschingseröffnung) angesetzt hatte. Wenn man auch mit bestem Willen die Freunde besuchen wollte, ließen sich sodann die Termine nicht mehr vereinbaren.

 

In vielen ernsten Vorgesprächen, die Faschingsnarren bei diversen freund-schaftlichen Zusammenkünften unter-einander führten, reifte daher der Plan, eine gewisse Organisationsform ins Leben zu rufen, die diese entstandene Misere beenden könnte. Bei aller Feindschaft, die normalerweise echte Narren dem Zwang zu einer Organisationstätigkeit und der Vereinsmeierei gegenüber entwickeln, reifte doch die Einsicht, daß es schließlich einer gewissen festgefügten übergeordneten Organisation bedürfen würde, um die gesamte Besuchstätigkeit und sonstige gemeinsamen Angelegenheiten der Gilden in geordnete Bahnen zu lenken. Es reifte daher der Gedanke, einen übergeordneten Bund der Faschingsgilden ins Leben zu rufen.

 

Wenn auch damals lediglich die Vertreter der in Salzburg und Oberösterreich beheimateten Gilden eine solche Organisation ins Auge faßten, hatten sie schon von Anfang an Gesamtösterreich im Sinn. Als der Zusammenschluß zu einer gemeinsamen Dachorganisation konkretere Formen annahm, war daher von Anfang an das Augenmerk auf einen gesamtösterreichischen Verband gerichtet. Die Väter der Idee hatten zumindest im Sinn, mit der Zeit einen Zusammenschluß aller in Österreich faschingstreibenden Gruppen und das österreichische Faschings-brauchtum pflegenden Organisationen zu erreichen. Aus diesem Grunde wurde auch bei der Gründung ein österreichumfassender Name gefunden. Dieser sollte Bund Österreichischer Faschingsgilden lauten.